Offener Brief an die IHK Oldenburg
Offener Brief an die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer zum Appell an die „Gegner der Küstenautobahn“ im Rahmen des Statements von IHK-Präsident Jan Müller zum Beschluss des heutigen Koalitionsausschusses, dass die A 20 gebaut wird(1).
Sehr geehrter Herr Müller,
Sie sprechen uns in Ihrem Aufruf direkt und öffentlich an und appellieren „an die Gegner der Küs- tenautobahn die höchstrichterliche Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht endlich an- zuerkennen“. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen gerne ebenfalls öffentlich antworten. Grund- sätzlich sind höchstrichterliche Entscheidungen zu achten, das ist ein Prinzip des Rechtsstaates. Insofern gab es von Seiten der A 20-Kritiker nie eine Äußerung, die diese Entscheidung in Zweifel zieht. Damit geht Ihr Appell ins Leere.
Wir würden uns im Gegenzug freuen, wenn Sie unabhängig von der höchstrichterlichen Entscheidung endlich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum volkswirtschaftlichen Schaden dieser Autobahn für den ländlichen Raum anerkennen würden und nicht gebetsmühlenartig eine Propaganda des Nutzens aus dem letzten Jahrhundert verbreiten. Das Fazit von Prof. Pez beispiels- weise lautet: Die Küstenautobahn bringt nichts(2). Die Studie von Prof. Gather und anderen zeigt: Die durchgeführten regionalstatistischen Analysen in allen untersuchten Regionen ergaben, dass kein Zusammenhang zwischen Autobahnnähe und positiver wirtschaftlicher Entwicklung nachgewiesen werden kann. Zudem lagen bei fast allen Autobahnabschnitten die Baukosten deutlich über den damaligen Erwartungen, wogegen die Verkehrsnachfrage ausnahmslos geringer als prognostiziert ausfiel. Gewinner sind die Oberzentren, die ländlichen Räume sind die Verlierer(3). Zur Erinnerung: Die A 20 ist im ländlichen Raum geplant und umfährt weiträumig die Zentren Bremen und Hamburg! Es gibt keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Autobahnbau und positiver regionalwirtschaftlicher Entwicklung im ländlichen Raum(4). Ergebnis zahlreicher Studien zeigt, dass eine langfristige Förderung von Arbeitsplätzen nicht erkennbar ist(5). Es geht sogar so weit, dass – unbeabsichtigt – die Entvölkerung ländlicher Räume befördert wird durch einen Autobahnbau(6). Selbst die Studie des NIW von 2011 zu den raum- und wirtschaftsstrukturellen Wirkungen der A 20 „Küstenautobahn“, stellt fest, dass betriebswirtschaftliche Vorteile für Einzelne möglich sei, aber die Autobahn keine Einbahnstraße sei. Von volkswirtschaftlichem Nutzen ist da keine Rede.
Mit den üblichen Kostensteigerungen und unter Einrechnung der CO2-Kosten sinkt der wirtschaft- liche Nutzen weiter und führt eher zu einem wirtschaftlichen Schaden. Für die A 20 wurde das kürzlich nachgewiesen(7,8).
Unabhängig davon würden wir gerne von Ihnen wissen, welchen konkreten Beitrag Sie leisten werden, um die 17 Abschnitte der Küstenautobahn, die noch nicht baureif sind, zur Baureife zu bringen, zu finanzieren und umzusetzen, wie in Ihrer Medien-Information 55/2025 vom 9. Oktober 2025 gefordert. Dabei handelt es sich nach aktuellem Preisstand um rund 9 Milliarden Euro(9). Wie- viel Prozent davon würden Sie und Ihre Unternehmen davon übernehmen? Ein Prozent? Das wären immerhin 90 Millionen Euro. Dürfen wir raten? Keinen Cent. So hat die J. Müller Societas Europaea Brake bzw. die Vorgängergesellschaft schon bei der Sponsorenaktion 2009/2010, um die Vorplanung der A20(22) anzustoßen, keinen Cent überwiesen, obwohl das Geld als Betriebsausgabe hätte gebucht werden können.
Sehr geehrter Herr Müller, machen Sie sich bitte auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft, damit die Ihnen anvertrauten Unternehmen auch im Jahr 2050 noch Bedingungen vorfinden werden, unter denen sie wirtschaften können (Stichwort: Auswirkungen Klimakrise und Biodiversitäts- krise(10), und Menschen, die in unserer Region arbeiten wollen. Dazu braucht es mehr und Klügeres als eine Autobahn, die der regionalen Wirtschaft im ländlichen Raum eher schadet als nützt und unsere Zukunft durch ihren Klima- und Umweltschaden in Frage stellt.
Wir würden auch gern von Ihnen erfahren, wie Sie sich eine sicherheitspolitische Bedeutung der A 20 vorstellen.
Gerne stehen wir für einen konstruktiven Austausch zur Verfügung, denn Alternativen.Sind.Machbar.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20
Hier können Sie die den offenen Brief mit Quellenverzeichnis herunterladen:
Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20